MTB Trilogy in Teplice nad Metují
Peter Gierlich stieg vom 03. bis zum 05.07.2020 beim Etappenrennen mit Endurocharakter, in den Tiefen Tschechiens, in die Saison 2020 ein. Eines der ersten Radrennen nach der weltweiten Corona-bedingten Wettkampfpause. Die MTB Trilogy in Teplice nad Metují. Das nicht fern von Polen gelegene Teplice ist fünf Autostunden von München entfernt.
Trotz Sturz kämpfte er sich im Verlauf des Rennens bis auf Rang 26 AK, Platz 55 Gesamt vor.
Prolog
Beep – Beep – Beep….auf geht’s, ich kenne ja mittlerweile gut genug das Prozedere des Trilogy-Prologs im Time Trial Format. Alle 30 Sekunden sprintet ein Fahrer los auf den etwa 12km langen Kurs. Dieses Jahr ist das Feld voll mit Profi-Fahrern, die auf der Jagd nach wertvollen UCI-Punkten sind. Ein Fest!
Aus der Erfahrung der letzten Male habe ich mir für heute vorgenommen, es nicht all out anzugehen. Die physische Zerstörung, die diese 12km anrichten können, hatte ich in der Vergangenheit dann am folgenden Tag der Stage 1 zu spüren bekommen. Also mit tempobewusstem Cruising auf die Strecke (es sollte ein frommer Wunsch bleiben). Trotzdem mit beinahe Maximalpuls den gemein steilen Wurzeltrail zum ersten Gipfel absolviert. Was folgt ist direkt einmal eine der größeren Herausforderungen der Trilogy, die erste Enduro Timed Section: von Sturzbächen ausgespült, mit groben Wurzeln und Felsen übersät. Ein Trail wie eine klaffende Wunde in der Landschaft. Dazu ist es heute auch noch feucht und schmierig. Es ist ein Rodeo-Ritt der anspruchsvollen und gefährlichen Art. Geschafft. Die Strecke windet sich in atemberaubenden, märchenhaften, mitunter steilsten Trailschleifen um Teplice nad Metuji. Zwischendurch gibts Getümmel, Fahrer von vorne und Fahrer von hinten, aber auch das geht irgendwie gut. Ebenso wie die berühmte Enduro Trap, in der nur wenige Zentimeter Abweichung von der Linie zwischen Crash und Durchkommen entscheiden.
Die letzten Ansteige sind so steil, dass ich die abschließende Timed Section wegen Erschöpfung noch fast vergeige und es mich beinahe in den samtigen Waldboden schmeißt. Eine launige Bikepark-artige Sektion beschließt den Prolog. Er ist immer wieder ein unglaubliches Erlebnis.
Stage 1: Sudety
Haben die sie nicht mehr alle? Es wird nach dem Start geballert als wäre es ein Cross Country-Rennen. Ich schiebe es auf den, sich nach Corona-Renn-Abstinenz entladenden Hormon-Stau der anderen Fahrer. Rollen entspannt im Mittelfeld ist erstmal nicht das Schlechteste. Die ersten Kilometer finden direkt auf Trail statt, meistens im Uphill. Das Feld entzerrt sich, und ich kann mein Tempo fahren. Es kommen die spektakulären Highspeed-Downhills auf den Karrenwegen über die großen Felsstufen, gespickt mit Zuschauern, die knipsen und anfeuern. Worldcup, Baby! Dann: vielleicht das Highlight der Stage, die Timed Descend-Abfahrt von dem großen Aussichtsturm und Wanderer-Magneten. Erst rauer Wiesen-Trail, dann geht es in eine Wandersteig-artige Schleife mit Drops und Felsen. Zuschauer stehen rechts und links. Blitzlicht, wie in einem Amphitheater. Es gibt nur eine fahrbare Linie – meine ich. Doch ausgerechnet dort hat es ein Fahrer nicht geschafft, und steht direkt in der Linie. Ich versuche die Rettung über einen riesigen rutschigen Felsen – klar geht das schief, und ich lande auf dem Hintern. Nichts passiert, Lenker gerade und weiter. Es folgen in den weiteren Prüfungen steile Stiche, wilde Waldabfahrten auf losem nassen Untergrund. Und zum Schluss tatsächlich eine kurze Asphalt-Etappe (die sind bei der Trilogy eher als Unfall zu werten)!
Abends beim Radlwaschen bemerke ich, dass der vermeintlich kleine Ausrutscher sehr große Zerstörung angerichtet hat, eine sauber verammelte Sitzstrebe.
Material-Schäden bei der Trilogy gehören für mich inzwischen zur Normalität… aber dieser Schaden lässt mich doch etwas schlucken. Nach umfassender Risiko-Betrachtung beschließe ich die morgige Etappe zu fahren.
Stage 2: Trutnov Trails
Der angebrochene Hinterbau ist mit dem Start ausgeblendet. Störende Gedanken sind nun fehl am Platz. Die Beine drehen sehr gut, und ich fließe auf der langen Steigung nach dem Start gut mit. Es geht auf zu den Trutnov Trails, neue Strecken-Schleife bei der Trilogy: Es ist tatsächlich ein weitläufiger Trailpark auf einem großen Berg. Kein Lift, keine Shuttles. Die Einstiege muss man sich auf teils steilen Stichen hart erarbeiten. Es ist das ganz ursprüngliche Mountainbiken ohne Hilfsmotor und Pickup-Truck, das in vielen Bike-Hotspots der Bequemlichkeit gewichen ist. Die Trails sind der Wahnsinn: Pfade mitten durch den Wald, hier und da etwas mehr oder weniger oder gar nicht geshaped. Rauh und anspruchsvoll mit unzähligen Tempowechseln, es muss selbst hier oft getreten werden. Der berühmte Flow bleibt aber irgendwie immer erhalten. Jubelnd geht’s mit großer Geschwindigkeit durch Anlieger, Sprünge, Drops. Ich hab tatsächlich ein Dejà-Vu: Es fährt sich in etwa so wie Whistler. Der Hammer.
Völlig fertig spuckt es mich aus dem Trailpark aus. In einem kleinen Pulk geht’s auf zur letzten Schleife der Etappe. Auf hügeligen Strecken mit Gegenwind zieht es sich. Am Ende der Schleife folgt die vogelwilde Enduro-Sektion zum letzten Versorgungspunkt: ich lasse es langsamer angehen, denn die am Ende lauernde Abfahrt verträgt sich schlecht mit Maximalpuls. Es ist eine extrem steile Erd- und Geröllrutsche, mit engen Switchbacks gespickt. Der Dropper Seatpost ist einmal mehr Gold wert, und ich schaffe es mehr oder weniger kontrolliert nach unten. Das Adrenalin rauscht.
So viel, dass ich auf den folgenden Kilometern erst noch einmal falsch abbiege, und wertvolle Minuten verliere – Argh. 5km vor Ende der Etappe sehe ich vor mir meinen engen tschechischen Mitstreiter, mit dem ich in diesen Tagen oft zusammen gefahren bin. Es geht um nicht weniger als Platz 55 oder Platz 56 in der Gesamtwertung. Sieg oder Niederlage. Also haue ich an der letzten Steigung alles raus, kann mich absetzen, und rausche mit dem 55. Platz in der Tasche über launige Trails runter zum Metuji-Fluß, und ins Ziel. Selbstverständlich nicht ohne Material-Kollateralschäden: Eine Speiche hängt ermattet in der Felge, das Hinterrad eiert. Der Hinterbau hat gehalten – Phew.
Epilog
Mit breitem Grinsen sitze ich am nächsten Morgen im Auto und kurve entlang des Metuji-Flusses durch die malerische Landschaft heimwärts. Bilder der letzten 3 Tage rauschen vorbei. Ich komme zu der Erkenntnis, dass man eigentlich gar nicht ins Flugzeug steigen und auf einen anderen Kontinent fliegen muss, um eins der spannendsten und anspruchsvollsten Etappenrennen auf diesem Planeten zu erleben. Ich bin mit der Trilogy immer noch nicht fertig. Und die Trilogy wahrscheinlich auch nicht mit mir.
/von Doris Tabeling