Tourbericht Soca-Tal Slowenien
Die Idee, über Ostern nach Slowenien zu fahren, hegten wir zwar schon etwas länger. Doch der Entschluss, diese Idee in die Tat umzusetzen, fiel dann jedoch recht spontan – den Umständen geschuldet. Nur für das Osterwochenende ist die Anreise mit viereinhalb Stunden etwas arg lang. Die Arbeit erlaubte es aber doch noch, zwei Tage zusätzlich frei zu nehmen, und so konnten wir bereits dienstagabends, zwei Tage vor Beginn der offiziellen Osterfeiertage, in München starten.
Die Hinreise verlief bis Villach zunächst über die bekannten Autobahnen. Spannend wurde es, als wir kurz nach der Grenze zu Italien die Autostrada verließen. Im kleinen Örtchen Tarvisio begann die Steigung zum Passo del Predil, der aufgrund der Straßenbeschaffenheit und der Enge der Wege schon ein kleines Abenteuer für sich bedeutet. Steile Steigungen, scharfe Kurven, und eine Absicherung zur Hangkante teilweise nur mit Begrenzungssteinen, die oft schon gefährlich weit in den Abgrund ragten. Da wir spät abends unterwegs waren, war außer uns so ziemlich kein Einziger auf den Straßen. Auch die wenigen Ortschaften, die man im Grenzgebiet zwischen Italien und Slowenien passiert, sahen nachts wie unbewohnte Geisterdörfer aus. Tagsüber änderte sich an dem Eindruck allerdings wenig, wie wir auch später feststellen sollten.
Hinter Bovec erwarteten uns noch einige dichte Nebelfelder, daher waren wir froh als wir gegen kurz nach Mitternacht endlich an unserer Unterkunft, auf halbem Weg zwischen Kobarid und Tolmin, im Örtchen Volarje ankamen.
Am nächsten Tag war erst einmal ausschlafen angesagt. Wir hatten schon beschlossen eine kleinere Runde zum Einstieg zu fahren. Nach kurzem Wälzen unseres Tour-Buchs[1] entschieden wir uns für den Weg zur „Kapella Bes“, eine Kapelle als Militärdenkmal, die auch schon aufgrund ihrer Machart und der Verzierung mit Waffen und Bomben auf die grausame Zeit der Isonzo-Schlachten (1. Weltkrieg 1915-17) schließen lassen.
Der Weg direkt nach der Kapelle hatte es erst mit einigen größeren losen Steinen etwas in sich. Jedoch ist das nur der erste Abschnitt, während die nachfolgenden Trails super spaßig zu fahren waren, richtig flowig, jedoch zwang uns die hohe Frequenz an kleinen Schlägen von dem mit Steinen besetzten Untergrund immer mal wieder zur Pause, um die Hände nicht zu sehr zu belasten. Grandios für den ersten Tag!
Dabei wussten wir noch nicht, dass der zweite Tag noch einen draufsetzen würde. Wir wählten eine Tour am Matajur, die Max bereits zwei Jahre zuvor befahren hatte. Dabei nutzten wir zur Anreise kurz das Auto, um etwa 300 Höhenmeter zu sparen. Richtige Entscheidung, wie sich später herausstellen sollte. Wir waren zwar zu Beginn schon etwas spät dran für so eine lange Tour (>1600hm), wir hätten jedoch nicht gedacht, dass wir erst gegen 8 Uhr Abends wieder am Auto zurück sein werden! Drei Platten und einmal haben wir uns etwas länger Verfahren. Dafür hatten wir schier Endlose Trails, die man, gerade im unteren Teil, fast ohne zu Bremsen durchdüsen kann! Am Kurvenausgang liegen Steine als Kicker, die Lines sind eingefahren, und es macht einfach einen Heidenspaß. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, allein dieser Trail ist es Wert einmal in dem Gebiet zu fahren.
Dagegen war unsere Tour an Tag drei ein komplettes Kontrastprogramm. Ich hatte noch nie soviel Dschungel-Feeling auf einem Trail in den Alpen, wie auf diesem. Als Reptilien-Lehrpfad bezeichnet, jedoch für Wanderer wie Radfahrer gleichermaßen zugänglich, achteten wir diesmal auf unser Tempo, damit uns kein Lebewesen unter die Räder käme. Zu Beginn sahen wir schon gleich mal eine Ringelnatter am Wegrand, die sich sogleich in den schützenden Wald schlängelte. Der Trail selbst war mit vielen Stufen untersetzt, aber der Fahrspaß stand diesmal fast im Hintergrund, die Natur war einfach umwerfend schön.
Lepa Slovenija, oder war’s schon Bella Italia? Wir sind uns nicht so sicher. Auf jeden Fall kamen wir auf italienischer Seite aus dem Trail heraus, und nahmen für den Rückweg eine – vergleichsweise – eintönige Asphaltstraße in Kauf.
Am vierten Tag unseres Aufenthalts sollte uns das Regenwetter einholen. Bislang hatten wir viel Sonnenschein, mancher Tag war zwar wolkenbedeckt, aber durchweg warme Temperaturen. Dennoch ließen wir uns nicht abschrecken und starten eine kürzere Tour zu der Quelle des Flusses Tolminka. Der breitere Forstweg führt zunächst gemächlich, später immer steiler und schotteriger in das Tolminka-Tal hinein. Zunächst waren wir vom Regen verschont, jedoch hatten sich die Temperaturen merklich abgekühlt und so waren wir langärmlig unterwegs. Auch die Regenjacke legten wir vor der Abfahrt an, die über den gleichen Weg wie bergan ging. Am höchsten Punkt der Tour gab’s Outdoor-Feeling pur – nur wir, klein und unscheinbare farbige Punkte inmitten von einem wolkenverhangenen Bergmassiv, das uns fast umschließt. Mich hätt‘s nicht gewundert, wenn noch ein Wolf oder ein Luchs vorbeigeschaut hätte, wenngleich sehr sehr unwahrscheinlich. Des Abends darf man sich dann auch einmal etwas gönnen, auf dem Grill lagen selbstgemachte Cevapcici und Steaks. Mjam!
Für Tag fünf hatten wir uns nochmal eine echte Herausforderung vorgenommen. Vom Gipfel des Matajur hatte ich schon zwei Jahre in Folge auf den gegenüberliegenden Berghang gelinst, an dem an einem langgezogenen Bergrücken ein mit bloßen Auge auszumachender Weg entlangführte. Fast direkt am Berggrat. Beide Male sagte ich immer „Dort müsse mal einmal fahren!“. Gesagt, getan. Davor hatten wir allerdings einen schier endlos langen Aufstieg auf den Berg Stol zu bewerkstelligen. Der große Teil der Auffahrt führte über Schotterweg in langgezogenen Kehren bergan. Immer schön einsichtig, so konnte man jederzeit sehen wieviel noch vor einem lag. Zudem kam noch, dass wir erst richtig in den Regen kamen, später mit kleinen Hagelkörnern „geduscht“ wurden und auch noch einige – zwar entfernte – Gewitter uns begleiteten. Zwischenzeitlich hatten wir aber auch immer wieder sehr schönen Sonnenschein.
Wir hatten ja nach Abenteuer gefragt, aber das war dann schon dreimal Abenteuer. Später fühlte es sich so an, als würden wir vom Gewitter den Gratweg hinabgejagt, um uns später in einer 1944 errichteten, baufälligen Soldaten-Unterschlupf vor dem Regen zu flüchten. Und zuvor hatten wir lange Zeit einen fast unmarkierten Weg hinabgeschoben, da es irgendwann zum Fahren einfach zu steil wurde. Leider geil! Versteht vielleicht nicht jeder, aber wir fanden‘s cool. Man fühlt sich wie James Cook auf zwei Rädern (ok ich übertreibe jetzt). Aber manche Stellen konnte man auf dem Schiebeteil noch fahren und fahrtechnische Meisterleistungen vollbringen. Oder auch sich vor Freunden lächerlich machen. Egal wie, wir sind wieder heil & gut unten angekommen. Und auch der lang anhaltende Regen konnte uns irgendwann nichts mehr anhaben.
Am letzten Tag unseres Trips entschieden wir uns noch für eine kürzere Halbtagestour, die wir leicht von unserer Unterkunft aus erreichen konnten. Wir gingen es etwas gemütlicher an, auch wenn die steile Auffahrt uns kaum Luft zum schnaufen ließ. Bergab fanden wir uns auf einem fast unbefahrenen, mit einer zentimetertiefen Laubschicht und etlichen Ästen bedeckten Trail wieder. Das beschreibt die Touren in Slowenien vielleicht allgemein ganz gut: Die Wege sind ursprünglicher, naturbelassener. Trotzdem kommt der Fahrspaß nicht zu kurz. Und die Natur ist grandios. Ebenso wie das immerwährende Spiel der Kayak-Fahrer in der kristallklaren Soca.
Wenn man dort hinfährt, dann vielleicht auch, weil man das Unerwartete sucht.