Aktuell sitzen Kilian und ich schon wieder am Flughafen von Kapstadt und warten auf unseren Rückflug. Zwei ereignisreiche Wochen liegen hinter uns. Was vor 10 Wochen als gemeinsamer Traum in Deutschland begann, endete in einer langen Fahrt allein. Aber der Reihe nach.
Vor 10 Wochen die E-Mail vom Veranstalter des Cape Epic: Wollt ihr dabei sein? – Klar! Kurz die 6.000 € Startgebühr überwiesen, Flugtickets besorgt und los ging es.
In Kapstadt angekommen, haben wir – schon nach Ende der Registrierungsfrist – als letztes Team die Startnummern abgeholt und anschließend die Bikes für den nächsten Tag zusammengeschraubt. Aufgrund unserer späten Ankunft mussten wir auf eine Besichtigung des Prologs verzichten. Wir fühlten uns dennoch gut und waren gespannt auf den Start.
Am ersten Tag stand der Prolog in Lorensford an: 24 km und 700 hm. Trotz brutaler Hitze starteten wir direkt mit Vollgas. Die Gänge flogen nur so rein. Mit 500 – 600 Watt in den ersten Anstieg: kein Thema. Die Hitze mit über 33 °C machte mir allerdings immer mehr zu schaffen. Meine Füße kochten in den Schuhen und Gegenwind war herzlich willkommen. Direkt von meiner vorherigen Reise aus der georgischen Kälte angereist zu sein, hatte wohl doch Spuren hinterlassen. Am letzten Berg des Tages musste ich Kilian dann doch sagen: „Nimm mal bisschen was raus!“. Im abschließenden Downhill hatte ich überhaupt keine Kraft mehr und wir verloren einiges an Zeit. Aber für eine besondere Platzierung waren wir auch nicht angereist. Ankommen war das Ziel – am besten schnell 😉
Die erste richtige Etappe (92 km und 2.850 hm) startete tags darauf. Mit den großen UCI Teams und den größten Namen des Mountainbike Sports (Schurters, Forsters, Marotts, Seewalds, etc.) in einem Startblock zu stehen, hatte etwas ganz Besonderes. Das Gefühl werden wir sicher nie mehr vergessen. Nachdem mir am Tag zuvor schon ein wenig die Kraft ausgegangen war, befürchtete ich Schlimmes für unsere erste Etappe, aber es lief gut. Der erste Berg lief super ich kam richtig fit oben an. Wider Erwarten konnte nun aber Kilian mein Tempo mehrfach nicht mitgehen. Darüber hinaus verlor mein Hinterreifen in den Steilwandkurven der Abfahrt einige Male Luft und ich musste unten nachpumpen. Dadurch überholten uns einige Teams außerhalb der UCI Kategorie, die später gestartet waren. Danach wartete die erste richtige Rampe auf uns. Rückblickend der gewaltigste Anstieg des gesamten Rennens. Während mir so steile Anstiege sehr gut liegen und meine Übersetzung dafür bestens ausgelegt ist, musste Kilian kämpfen. Bei laufend 25 % Steigung konnte ich mich aber auch nicht umdrehen, um ihn im Blick zu behalten. Immer mehr Fahrer mussten absteigen und schieben und ich überholte Fahrer um Fahrer. Nachdem der Weg irgendwann voll mit schiebenden Radsportlern war und mein „Hey“ zum Weg frei machen auch nichts mehr brachte, ging ich ebenfalls in den Schiebemodus über. Oben angekommen, schaute ich mich um. Kilian war nicht in Sicht. Selbst nach dem Verzehr eines zweiten Riegels konnte ich Kilian nicht entdecken. Irgendwann sah ich ihn dann in einem bemitleidenswerten Zustand. An dem Punkt des Rennens dachte ich noch: Ab der nächsten Versorgungsstation würde es ihm wieder besser gehen, aber dem war nicht so. Es blieb ein kräftezehrendes Rennen. Wir retteten uns ins Ziel und legten den Fokus auf Regeneration.
Am nächsten Tag warteten direkt 123 km und 2.300 hm auf uns. Eine so lange Strecke hatte ich noch nie in meinem Leben an einem Tag auf dem MTB zurückgelegt. Vom ersten Meter an war mir jedoch klar: Das wird heute zäh. Kilian saß wie ein Häufchen Elend auf seinem Rad während aus meinen Beinen die Energie sprudelte. Am ersten Berg wurde dann auch klar, dass hier unser gemeinsamer Traum enden würde. Kilian litt an einem Magen-Darm-Infekt, der ihn ausknockte und uns zum Stoppen zwang. Nachdem das gesamte Feld mit 1.100 Fahrer*innen an uns vorbeigezogen ist und Hilfe für Kilian eingetroffen war, ging es für mich allein auf die Verfolgungsjagd. Ziel: Nur nicht das Zeitlimit überschreiten. Bis zur Mitte des Rennens war die Strecke mit zahllosen Singletrails geschmückt, was das Überholen schwierig und anstrengend machte. Anschließend führte die Strecke über karge, flache Hügel mit teilweise sehr viel Gegenwind. Nach über 8 Stunden hatte ich das Ziel im zweiten Camport, Greyton erreicht. Kilian wurde währenddessen nach einer längeren Odyssee im Krankenhauszelt medizinisch versorgt.
Tag 4 erstreckte sich über 101 km und 2.250 hm rund um Greyton. An diesem Tag, an dem ich erstmalig allein startete, schloss ich mich direkt Janine Schneider, der ehemaligen deutschen Meisterin im Marathon (2017) an. Es entwickelte sich eine richtig spaßige Fahrt durchs Feld bei der Janine trotz zurückhaltender Fahrweise bergab mit zwei Platten geplagt wurde. Aber in Teamarbeit geht das Flicken natürlich fix und wir konnten die Fahrt schnell gemeinsam fortsetzen. Außerdem ist Hilfsbereitschaft sowieso immer gut für das eigene Karma-Konto. Dieses erarbeitete Karma konnte ich 10 km vor Schluss gut gebrauchen. Trotz, dass mein AXS-Akku für die Schaltung (Sram-App) zum Start beinahe vollgeladen war, funktionierte bei meiner Schaltung plötzlich nichts mehr und ich schrie „F*** mein Akku“. Worauf ich von hinten nur hörte: „Brauchst du einen Akku?“. Ich traute meinen Augen nicht, als Janine plötzlich einen frischen AXS Akku aus ihrem Trikot zauberte. Nach einem fixen Akkutausch strampelten wir relativ entspannt und ohne weitere Zwischenfälle dem Ziel entgegen.
Der darauffolgende Tag sah den Zahlen entsprechend fast wie ein Ruhetag aus. „Nur“ 82 km und 1.650 hm mussten überwunden werden. Am Start hatte ich überlegt, ob ich nicht wieder mit Janine die Etappe fahren sollte. Entsprechend meiner Erfahrungen vom Vortag, insbesondere am ersten technischeren Downhill verwarf ich diese Idee jedoch wieder. Meine Gedanken: Wenn ich schon allein am Start stehe, dann muss ich nicht an Passagen, in denen ich besonders stark bin, auf andere warten. Da an diesem Tag auch der Singletrail Anteil bergauf hoch war, musste ich mich dennoch oft gedulden und bei Gelegenheit möglichst viele Fahrer überholen. Dennoch war diese Etappe hoch wie runter super spaßig. Als ich gegen Ende gerade den deutlich früher gestarteten Thomas Frischknecht überholte, riss mir leider die Kette und ich musste die verbleibenden 2 – 3 km zu Fuß ins Ziel laufen. Janine bot mir beim Vorbeifahren noch ihre Hilfe an, aber ich lehnte dankend ab. So konnte sie zumindest ihr Rennen ohne Zwischenfall zu Ende fahren.
Tag 6 begann für mich schon vor dem Start mit einem richtigen Schock. Bei der Abholung meines Bikes aus dem Fahrerlager sackte meine absenkbare Sattelstütze einfach weg. Es war undenkbar, die 115 km von Greyton nach Stellenbosch ohne Sattelstütze zu fahren. Bei noch 20 verbleibenden Minuten bis zum Startschuss ging es sofort in den nächsten Bikeshop: Eine neue Stütze musste her. Nach dem ersten übertrieben teuren Angebot für ein passendes Ersatzteil ging ich gleich in den nächsten Shop, in dem ich dann auch fündig wurde. Nachdem ich den ersten Schock verdaut hatte, ging es vom Start weg eine herausfordernde Rampe bergauf. Der steile Berg spielte mir in die Karten und ich überholte schon auf den ersten Kilometern Fahrer, die ich an den Vortagen erst nach einigen Rennstunden einholen konnte. Kurz vor dem zweiten großen Berg fuhr dann ein Scott-Sram Fahrer an meine Gruppe heran. Es war der Teamkollege von Thomas Frischknecht, Urs Gerig. Thomas musste das Rennen am Vortag auf Grund von Verdauungsschwierigkeiten, die viele Teilnehmer plagten, aufgeben und so war Urs ebenfalls allein unterwegs. Nach einem kurzen Gespräch beschlossen wir, die Etappe gemeinsam zu Ende zu fahren. Bergauf harmonierten wir sehr gut und auch beim Herunterfahren hatten wir viel Spaß, besonders auf der Abfahrt nach Stellenbosch.
An Tag 7 stand die traillastigste Etappe an. Auf nur 76 km sollten 2.700 hm rund um Stellenbosch überwunden werden. Auf diversen angelegten Flowtrails und Jump Lines ging es auf und ab. Auch wenn wir wohl nicht wie Nino Schurter über die Tables „gewhipt“ sind, hatten Urs und ich erneut richtig gute Laune. Das neue Scott Spark unter Urs Hintern leistete ganze Arbeit, sodass ich mich teilweise schon strecken musste, um an seinem Hinterrad zu bleiben. Leider hatten wir ab und zu viel Verkehr, was den Spaß ein wenig linderte.Meist konnten wir uns durch einen freundlichen Hinweis jedoch auch auf schmalen Singletrails an den Fahrern vorbeidrücken. Im Ziel war ich fast ein wenig enttäuscht, dass die Etappe schon vorbei war.
Am letzten Tag ging es über 68 km und 2.000 hm von Stellenbosch in den Poloclub Val de Vie. Schon am Start fühlte ich mich nicht wirklich gut. Bis Kilometer 30 kam ich dann noch ganz anständig voran, anschließend war es eher eine Qual. Ich hatte mir wohl einen Infekt eingefangen, der mich auch die anschließende Woche und bis nach Deutschland begleitete. Zum Abschluss des Rennens überreichte mir Maxime Marotte meine Finisher Medaille und mein Finisher T-Shirt. Mit beidem hatte ich nach Kilians Ausscheiden nicht mehr gerechnet, sodass ich super happy in den anschließenden Südafrika Urlaub startete.
Insgesamt kann ich vom Rennen nur Positives berichten. Der Veranstalter bietet großartiges Essen, eine super Organisation und eine beeindruckende Logistik während der gesamten Woche. Die Strecken sind nicht mit Marathons bei uns in Deutschland vergleichbar: Kaum Straßenabschnitte und gefühlt mindestens 50 % Singletrails, die fast alle angelegt sind. Und zum Schluss: Wer mit seinem Rad protzen will … ein aktuelles Specialized S-Works Epic reicht dafür nicht, das ist eher Standard im Cap. Da benötigt man schon eine limitierte Sonderlackierung oder ähnliches.
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